Interview mit Tatjana Buck
Kunden wollen gesundheitlich begleitet werden, am liebsten niedrigschwellig und bequem. Eine riesige Chance für Ihre Apotheke, wenn Sie sich richtig positionieren! Starten Sie mit der Frage: „Was brauchen meine Kunden über die Arzneimittelgabe hinaus und stimmt dies mit unseren Angeboten überein?” Für Tatjana Buck liegt eine der Antworten in pharmazeutischen Dienstleistungen, für deren Etablierung sie sich leidenschaftlich einsetzt. Im Interview erzählt sie, warum pDL Apotheken zukunftsfähig machen, wie die Umsetzung im Team gelungen ist und was sie bei der Einführung unterschätzt hat.
Welche pharmazeutischen Dienstleistungen bietet ihr in eurer Apotheke an?
Wir bieten aktuell drei der fünf pDL an: die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation, die standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck und die erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik.
Warum setzt du dich so leidenschaftlich für pDL ein?
Für mich persönlich sind pDL eine logische Konsequenz, um Kund:innen durch unsere Kompetenzvielfalt langfristig von der Apotheke vor Ort zu begeistern. Ich bin angetreten, um Menschen zu helfen, gesund zu bleiben und gesund zu werden und sie zu begleiten, auch in der Krankheit. Mit pDL habe ich ein dazu passendes Instrument. Dieses Angebot ist für mich gelebte Pharmazie, also ein echtes Herzensthema.
Hast du direkt ein praktisches Beispiel aus dem Apothekenalltag zur Hand?
Kommt ein Kunde/eine Kundin mit dem eigenen Inhalator nicht klar, lohnt sich – neben einem Blick auf die Koordination – ein Blick auf die Motorik. Während einer pDL fielen uns die Hände einer Kundin auf. Diese waren arthrotisch verändert, so dass es der Kundin unmöglich war, den Inhalator so auszulösen, dass ein gleichzeitiges Einatmen möglich war. Übrigens über Jahre! Dieser Kundin haben wir dann einen Spacer empfohlen, der die Handhabung vereinfacht und siehe da: Die Kundin ist begeistert. Es sind manchmal diese vermeintlichen Kleinigkeiten, mit denen wir unseren Kunden helfen.
Was würdest du sagen? Sind pDLs wirtschaftlich attraktiv und lohnt es sich, diese anzubieten?
Auf den ersten Blick – so spiegeln es Gespräche mit vielen Kolleg:innen – wird die Wirtschatlichkeit eher kritisch bis negativ beurteilt. Aber der langfristige Effekt ist riesig! Die Kundenbindung wird gestärkt, übrigens auch in anderen Gesundheitsfragen, und die Weiterempfehlungsrate erhöht sich. Leistung und Qualität potenzieren sich und ab einer gewissen Anzahl rechnen sie sich dann auch wirtschaftlich. Word-of-mouth! Empfehlungsmarketing von Kunde zu Kunde, innerhalb der Familie, in der Nachbarschaft und am Stammtisch. Für mich sind pDL eine Riesenchance für die Apotheke vor Ort.
Ihr habt die pDL schon im Juni 2022 bei euch eingeführt – wie läuft es mit der Umsetzung im Team?
Neue Angebote zu etablieren ist Arbeit – aber Arbeit, hinter der ich voll und ganz stehe. Es gilt eine noch neue Gewohnheit zu etablieren. Wir erinnern uns gegenseitig im Team immer wieder daran und wir werden immer besser. Es braucht Überzeugung und auch Übung, den Kunden zu sagen: „Ich habe da ein Angebot für dich und das ist gut für dich.” Klar kann ich einfach nur den Blutdruck messen – ich kann aber für den Kunden auch noch eine Erlebniswelt „Gesundheit“ bauen. Das ist ein Umdenken – wir üben, mehr zwischen den Zeilen zu lesen, um herauszufinden, was unsere Kunden wirklich brauchen.
Wie ist euch die Integration in den ohnehin vollen Apothekenalltag gelungen?
Wir haben das im Team diskutiert und uns gefragt: Was hält uns eigentlich davon ab, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten? Dann kamen Dinge wie:
- Der Kunde hat keine Zeit.
- Das interessiert den Kunden nicht.
- Hinten ist so viel zu erledigen.
- Ich kann doch jetzt nicht weggehen, wenn da eine Schlange voller Menschen ist! Was denken meine Kollegen und Kolleginnen? Ich lasse die ja voll hängen, wenn ich jetzt in den Beratungsraum gehe!
- Und was denken die anderen Kunden, wenn ich mit einem Kunden zehn Minuten im Beratungsraum verschwinde?
Ich fand es super von meinem Team, dass sie ihre Bedenken so offen ausgesprochen haben. Dann haben wir das Ganze umgedreht und gesagt: Ich nehme mir bewusst Zeit für den Kunden, weil er ist extra zu uns gekommen und weiß, er wird hier gut beraten.
„Schlange ist geil! Es ist doch wie auf dem Weihnachtsmarkt, wenn ich Glühwein trinken will: Ich stelle mich bei dem Stand an, wo eine Schlange ist, und nicht da, wo keiner hingeht.”
Tatjana Buck, Apothekerin und Inhaberin der Vital-Apotheke
Für dich ist das Umsetzen also eher ein Mindset-Thema und eine Frage der Führung, wie du als Chefin dein Team lenkst und vorangehst?
Ja, es erfordert ein Umdenken. Aber nicht ein Umdenken von „oben“, sondern pDLs sind eine Teamleistung. Darauf hat uns mein Apotheker gestoßen, als er meinte: „Wenn eine Kundin kommt, die die Pille danach möchte, ist jedem im Team sofort klar: Beratungsraum! Und auch wenn wir zehn Minuten mit der Kundin drin wären, würde keiner von uns drüber nachdenken, dass draußen eine Schlange steht.” Ein Kunde/eine Kundin mit einer pDL verdient die gleiche Aufmerksamkeit. Das darf man lernen. Und das ist ok! An manchen Tagen klappt das richtig gut, an anderen weniger. Was aber immer klappt, ist die Mitgabe einer unserer Postkarten, mit denen wir die pDL auf schwäbische Art bewerben.
Gab es etwas, was du bei der Einführung der pDL unterschätzt hast?
Wie bereits erwähnt: das Thema Zeit bzw. das Denken über das Thema Zeit. Und dieses „Uuuh, ich brauche jetzt vom Kunden mindestens zwei Unterschriften“. Das war am Anfang eine Herausforderung – hat wieder mit Mindset zu tun, das hatten wir ja auch schon. Auch das Thema Marketing habe ich unterschätzt.
Also die pDL dann auch tatsächlich auf die Straße zu bringen, meinst du?
Es kommt ja keiner rein, der noch nie bei uns war und sagt: „Oh, eine pharmazeutische Dienstleistung, darauf hab ich gewartet!”. (Lacht) Sondern das ist echt Arbeit. Da ist viel Eigenleistung gefragt – vom ganzen Team. Immer dran zu denken, die Kunden darauf anzusprechen. Und das ist gleich die nächste Herausforderung: Kommunikation. Wie spreche ich es an?
Was hat euch bei der Integration in den Apothekenalltag geholfen?
Ich war sofort überzeugt, dass wir pDL anbieten und habe gemeinsam mit meinem Team erarbeitet, welchen Mehrwert wir damit den Patienten als Apotheke vor Ort bieten. Dann haben wir uns eingehend besprochen und uns auch Beispielsätze überlegt, wie wir ein Gespräch mit den Kunden starten können, um sie dafür zu begeistern. Das haben wir immer wieder geübt und damit diese Hürde der Kundenansprache nach und nach abgebaut. Und wir haben das Informationsportal der ABDA genutzt, die bietet ein wahnsinnig umfassendes Programm an mit vielen verschiedenen Vorträgen.
Worin siehst du den größten Vorteil der pharmazeutischen Dienstleistung?
Ganz klar: Angebote wie die pDL machen uns als Apotheke zukunftsfähig, das ist eine riesige Chance! Wir werden in Zukunft immer mehr als Gesundheitsdienstleister, auch in Kooperation mit anderen Leistungserbringern, arbeiten. Zumindest ist das meine Vision! Ich weiß, momentan klemmt es an allen Ecken – personell, Lieferengpässe, finanziell. Jetzt zu sagen, wir bieten nochmal was mehr an und gucken Richtung Zukunft, erfordert echt Power und Mut.
Wie gestaltet ihr die Zusammenarbeit mit den Ärzten?
Zuerst habe ich alle Ärzte mit einem klassischen Brief angeschrieben, dass wir jetzt pDL anbieten. Der Leiter des örtlichen Ärztezirkels hat mich daraufhin gefragt, ob ich nicht einen Vortrag über Polymedikation halten will. Das habe ich erfolgreich vor rund 20 Haus- und Fachärzte gemacht. Ich habe ihnen gesagt, wie wichtig es ist, dass wir zusammenarbeiten, weil sowohl Ärzte als auch Apotheken voneinander profitieren können. Die Zusammenarbeit entwickelt sich.
Das klingt doch vielversprechend! Hat sich schon eine konkrete Zusammenarbeit ergeben?
Mit einer Ärztin tausche ich mich regelmäßig aus, wir haben vereinbart, dass sie mir den aktuellen Medikationsplan schickt, wenn ein Patient zur Medikationsberatung zu uns kommt. So haben wir immer eine gemeinsame Datenbasis. Auch mit anderen Ärzten gibt es schon Anknüpfungspunkte. Wenn wir unsere Kompetenzen zusammenlegen, haben alle mehr davon.
Du hast vorhin davon gesprochen, dass pDL eine große Chance für die Zukunftsfähigkeit von Apotheken sind. Gibt’s noch etwas, was du als Riesenchance siehst?
Wir müssen nur einen Blick in den Zukunftsreport 2023 von Matthias Horx werfen: Einer der Megatrends ist Gesundheit. Spannend dabei finde ich, dass sich die Menschen über digitale Angebote hinaus einen festen lokalen Anlaufpunkt wünschen. Als Themen werden u.a. Arzneimittelsicherheit und Frauenapotheke genannt – da gibt es viele, neue Felder, in denen man sich klar positionieren kann. Für mich persönlich ist gerade Diabetes mellitus mega spannend. Auch das Thema Verblisterung eine logische Konsequenz zur Medikationsanalyse. Also Ideen gibt es genug!
Lass uns über den Kundennutzen sprechen: Hast du Beispiele, wie Kunden von pDL profitieren?
Eine Patientin hatte sechs Packungen eines Medikaments à 100 Stück und keine einzige davon genommen, weil sie nicht wusste, warum sie diese bekommt. Mittlerweile war sie komplett umgestellt worden, weil das Medikament ja vermeintlich nicht gewirkt hat. Dennoch war sie sehr verunsichert. In der Medikationsberatung konnten wir ihr Sicherheit geben.
Den Wunsch nach Sicherheit sehen wir übrigens oft auch bei den Inhalatoren. Kunden holen einen zweiten, „weil der Erste reicht nicht aus”. In der Schulung hat sich bei einer Kundin rausgestellt, dass sie einfach nur falsch inhaliert hat, sodass das Mittel rechts und links aus dem Mund rausgekommen ist. Den zweiten Inhalator hat sie also gar nicht gebraucht.
Das sind schon wirklich krasse Beispiele …
Das kommt öfter vor, als man denkt. Insofern profitieren die Kunden natürlich von den pDL, weil sie am Ende des Tages mehr Lebensqualität dadurch haben. Ich wage mal eine Prognose: Langfristig bringt das auch volkswirtschaftlich einen großen Nutzen, weil es weniger Krankenhausaufenthalte, weniger Notaufnahmebesuche, weniger Verordnungen geben wird.
Oder beim Thema Blutdruck: Wir wissen, dass 30 Prozent der Patient:innen mit Medikation keinen gut eingestellten Blutdruck haben und 90 Prozent davon ihr Blutdruckmittel gar nicht einnehmen. Das hat gesundheitliche Konsequenzen und wirkt sich natürlich auch volkswirtschaftlich aus.
Wie erfahren eure Kunden von den pDL?
Der Löwenanteil ist die aktive Ansprache. Von Mensch zu Mensch sozusagen. Wir haben unsere Postkarten an jedem HV-Tisch, die geben wir mit, vor allem wenn wir merken, der Kunde hat jetzt gerade keine Zeit für ein Gespräch. Bei Neuverordnungen von Blutdrucksenkern schreibe ich das Datum auf die Karte und sage: „Komm ab dem Tag wieder, dann sehen wir auch schon, ob das Medikament greift.” Dann haben wir noch Kundenstopper vor der Tür, digitale Bildschirme und das Infoblatt der ABDA. Auch auf Instagram weisen wir immer wieder mal darauf hin.
Welchen ultimativen Tipp kannst du Kollegen geben, die den pDL vielleicht noch skeptisch gegenüberstehen?
Kommt einfach ins Tun, es muss nicht alles von Anfang an perfekt sein. Die Digitalisierung der Prozesse kann beispielsweise warten. Mach’s dir einfach, denk nicht zu groß. Beobachte Wie kommt dein Mitarbeiter aus dem Beratungsraum raus und wie der Kunde? Ich wette: Beide lächeln! Der Kunde denkt: „Super, dass ich hier war, das hat mir noch nie jemand so gezeigt!” Welcher Mitarbeiter ist da dann nicht stolz? Für die normale Abgabe von Medikamenten kriegst du nie so oft ein tolles Feedback. Wir haben ja alle dieses Helfer-Gen, sonst würden wir nicht in der Apotheke arbeiten. Wer genießt es da nicht, wenn er positives Feedback und ein ehrliches Danke kriegt?
Diese Wertschätzung der Kunden ist zwar wirtschaftlich nicht messbar, aber von unschätzbarem Wert für Weiterempfehlungen und die Bindung der Kunden an eure Apotheke.
Genau. Zur gesunden Versorgung gehören für mich die pDL absolut dazu, genauso wie das Impfen. An alle Kolleginnen und Kollegen da draußen: Manchmal tut’s vielleicht weh, wenn ich mich bewegen muss, aber nur so kann ich als Apotheke wachsen.
Tatjana Buck lebt und liebt Pharmazie. Vor Ort in der Vital-Apotheke Bad Saulgau, die sie zusammen mit Ihrem Mann führt. Ihr Herzensthema sind pharmazeutische Dienstleistungen, für die sie sich seit ihrer Einführung starkmacht. Nicht umsonst wird sie als “Queen of pDL” bezeichnet. Zusätzlich engagiert sie sich berufspolitisch in der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und in der Denkfabrik Apotheke e. V.
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©Foto: Ingo Rack